Geburtsbericht: Viktoria

Geburtsbericht Viktoria
VBAC (natürliche Geburt nach Kaiserschnitt)
18.7.18

SAME, SAME – BUT DIFFERENT!

…ein paar Tage später wachst du auf und fragst dich: „Hab’ ich das wirklich alles erlebt, oder war es wieder nur jener Traum, den ich schon so oft gedanklich durchgespielt habe?!“

Unser Sohn Leopold wurde nach einer unkomplizierten Schwangerschaft in der 42. SSW per Sectio auf diese Welt geholt. Nach 17 Std. Wehen und vollständig geöffnetem Muttermund spielte der Gynäkologe leider nicht mehr länger mit und entschied diesen Ausgang für uns. Grund: Eine Vierteldrehung des Köpfchens verhinderte das richtige Eindrehen in das Becken. Diagnose: Hoher Geradstand. Wie so vieles während dieser Geburt war auch das keine gemeinsame Entscheidung. Weit weg von selbstbestimmt oder gleichberechtigt. Bis heute beschäftigt mich die Frage, ob ein Kaiserschnitt in diesem Fall gerechtfertigt war. War es denn wirklich schon notwendig, zu diesem Zeitpunkt operativ einzugreifen?!

Und plötzlich befand ich mich 24 Monate später in einer sehr ähnlichen (oder in der gleichen??) Situation. Der Unterschied zu damals: Ich war gut vorbereitet, handelte selbstbestimmt – im Vorfeld und während der Geburt selbst – und mein extra zusammen gesuchtes Team unterstützte mich in all meinen Bedürfnissen und Wünschen! Das wurde mir auch ganz deutlich, als es in der 24. SSW noch hieß, dass ich eine Placenta praevia hätte. Auch da sprach keiner von Kaiserschnitt – nein, alle machten mir noch Mut! Und Recht hatten sie, denn in der 28. SSW war sie nämlich tatsächlich weit genug nach oben gewandert, sodass einer VBAC im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr im Weg stand.

Dass Viktoria ihren Weg zu uns suchte, spürte ich an 39+0. Um 22 Uhr vernahm ich zusammen mit meinem Mann die erste Rückenwehe in der Badewanne. Ich hab’ mich im warmen Wasser mit einem bewussten Ritual von der Schwangerschaft und der „Bauchhülle“ verabschiedet. Mein Baby durfte nun ausziehen und zu uns kommen! Doch ich war mir nicht sicher: Sind das jetzt Senkwehen oder tatsächlich Geburtswehen? Bis 4 Uhr lief ich auf und ab und auf und ab. Beobachtete die Wehen, die sehr unregelmäßig kamen. Mal eine halbe Stunde alle 2 Minuten – dann wieder in 7 oder 8 Minuten-Abständen. Gefolgt von 20 Minuten Pause. Gegen 5 Uhr fühlte ich mich zu Hause nicht mehr wohl und vereinbarte zusammen mit Beate, dass wir uns in der Klinik treffen. Der Befund: Muttermund 2cm geöffnet, Mädchen noch immer in Sternengucker-Position. Puh, da liegt noch einiges an Arbeit vor uns!

Begleitet von Akupunktur, Globulis, Einlauf und warmer Dusche wanderte ich zwischen Zimmer, Kreißsaal und Garten umher. Zusammen mit meinem Mann oder meiner Doula, die inzwischen auch eingetroffen war. Die Schmerzen waren noch gut zu veratmen, auch wenn ich merkte, dass ich von Stunden zu Stunde müder wurde. Kein Wunder, schließlich fehlte mir jetzt schon eine ganze Nacht an Schlaf.
Die nächste Untersuchung gegen Mittag zeigte: Dem Kind geht’s gut, aber der MuMu stand trotzdem erst 3-4cm offen. Wir probierten zusammen mit der Doula einige Positionen zum Wehenveratmen aus, aßen noch ein bisschen was, machten meinen Lieblingsradiosender an, versuchten positiv zu bleiben und scherzten zwischendurch auch immer wieder. Das tat gut!

„Ich sehe, du denkst an deine erste Geburt! Sie wird nicht gleich enden, auch wenn wir vielleicht gerade in einer ähnlichen Situation feststecken!“, verdeutlichte Beate meine Gedanken am Nachmittag. „Dr. Ballon gibt uns alle Zeit der Welt – wenn es auch bis morgen dauert!“, motivierte sie mich positiv. Sie holte nochmals ein paar Tricks aus ihrer Kiste, um das Baby zum Drehen zu animieren. Unser Schatz schaute sich nämlich noch immer lieber die „Sterne“ an. Seitliches Lagern während der Wehen, Vierfüßlerstand, Gutschwager Manöver. Da war sie als gut geschulte Hebamme wirklich kreativ. Und man merkte ihr an, wie wichtig es war, nichts unversucht zu lassen! Mein Mann und meine Doula begleiteten mich bei allem und machten mir Mut mit Worten, Gesten und vor allem mit meinem Lieblings-Eistee!

Gegen 18:30 Uhr haben wir uns dann dazu entschieden, die Fruchtblase manuell zu öffnen. Und von da an ging es Schlag auf Schlag. Unser Kind hatte sich tatsächlich gedreht und lag nun perfekt im Becken!!! Die Wehen waren plötzlich in einer Heftigkeit da, dass ich sie einfach nicht mehr veratmen konnte. Ich wurde laut und plötzlich spürte ich die volle Kraft der Geburtsschmerzen. Ich verlangte nach einer leichten Dosis Schmerzmittel. Nach und nach gingen diese unbeschreiblich stürmischen Wehen in echte Presswehen über, was ich als erleichternd empfand, auch wenn ich mich zwischendurch oft einfach nicht mehr imstande fühlte, noch weitere Energien zu aktivieren. Das Ganze ging nämlich schon über Stunden. Doch als mich um kurz nach 21 Uhr Beate aufforderte, nach unten zu greifen und ich den Kopf mit den weichen Haaren meiner Tochter spürte, wusste ich, dass ich tatsächlich gerade ein Lebewesen gebäre. Ein unbeschreibliches Gefühl! Gigantisch. Um 21:12 Uhr flutschte Viktoria aus mir raus und nach 23 Stunden Wehen konnte ich endlich diesen einen Satz zu meinem Mann sagen: „Ich hab’ es geschafft – ich hab’ unser Kind geboren, aus eigener Kraft!“

Auch wenn die Geburt viel anstrengender und fordernder war, als ich mir das in meinen kühnsten Träumen ausgemalt habe, bin ich glücklich, dass ich sie genau so erleben durfte. Mit meinem wunderbaren Mann, der mich immer liebevoll aufgefangen und mich beschützt hat. Mit meiner Doula, die mir Urkraft durch Worte, Taten und mein Lieblings-Naschi gegeben hat. Mit einer Hebamme und Ärztin, die für die Richtigkeit und Wichtigkeit einer VBAC kämpfen. Ich hab’ mich zu jeder Zeit als mündig gefühlt, ich hab’ selbstbestimmt gehandelt, ich durfte essen, trinken, mich frei bewegen, Entscheidungen haben wir nur gemeinsam getroffen. Und das Wichtigste: Alle haben an mich und meinen Traum einer natürlichen Geburt nach Kaiserschnitt geglaubt!

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